#LetsTalkAboutSexes | Social Media Aktion zum #Geschlechterkampf im Städel Museum Frankfurt

Bis zum 19. März diesen Jahres zeigt das Städel Museum in Frankfurt noch die große Ausstellung Geschlechterkampf, die nicht weniger zeigen soll als die Auseinandersetzung von Künstlerinnen und Künstler mit der Frage nach der weiblichen und männlichen Identität in den vergangenen 100 Jahren. Wobei es um alle Geschlechter geht, also auch Transsexualität und Intersexualität thematisiert werden. Wie immer hat das Museum übrigens ein sehr schönes Digitorial erstellt, mit dem man den Besuch thematisch vor- oder nachbereiten kann.

Bis zum 2. Februar wurde nun die begleitende Social Media Aktion #Letstalkaboutsexes angestoßen, bei der jeder zur Beteiligung eingeladen ist. Da die Ausstellung vor allem historische Perspektiven präsentiert, fragt das Museum nun nach dem Status Quo in unserem Alltag. Eine schöne Idee! Ich hoffe, dass trotz der kurzen Laufzeit von drei Wochen, viele Beiträge zusammen kommen. Am Ende geht das Thema ja jeden von uns etwas an.

Für mich ist die Aktion ein guter Grund mal wieder einen Beitrag für diesen Blog zu schreiben, nachdem MuseumLifestyle mich im letzten Jahr ziemlich in Anspruch genommen hat. Die Besprechung der Ausstellung, die ich erst im Februar besuchen werde, erscheint aber wie gewohnt dort. Auf den Ausstellungsbesuch freue ich mich bereits sehr, denn das Thema ist eines, das einem natürlich ständig im Alltag begegnet. Und auch die Künstler und Künstlerinnen, die ich besonders schätze und deren Werke ich besonders inspirierend finde, haben sich mit der Frage nach Identität und Geschlecht auseinandergesetzt. So zum Beispiel Eva & Adele, Lynn Hershman Leeson oder VALIE EXPORT.

Beim Schreiben dieses Beitrages ist es mir übrigens gar nicht so leicht gefallen immer sachlich zu bleiben, weil die (Berufs-)Welt eben doch voller Ungerechtigkeiten ist, die mir jeden Tag in der einen oder anderen Form begegnen.

Geschlechterkampf in der Kulturbranche

Als ich mich entschieden habe, einen Beitrag zur Aktion #LetsTalkAboutSexes zu schreiben, war ich außerdem dabei einen Beitrag darüber vorzubereiten, warum ich zum April meinen Job wechsle und der Kulturbranche beruflich vorläufig den Rücken zukehre. Das Bloggen bleibt davon unbeeindruckt und meine beiden Blogs weiterhin aktiv. Dann ist mir aufgegangen, dass diese Themen sich mindestens berühren. Nun ist es aus diesem Grund ein einziger Beitrag geworden mit meinen Gedanken zum Thema.

Lustigerweise finde ich bis heute, dass gerade die Kulturbranche als Filterblase ein gutes Beispiel dafür ist, welche Kämpfe wir im Leben führen oder führen müssen. Gleichzeitig kommt sie dabei meistens recht flauschig und kuschelig daher.

Bis heute verdienen Künstlerinnen weniger Geld als Künstler, ihre Werke werden für weniger auf dem Sekundärmarkt gehandelt und auch die Anerkennung wird oft durch das Label „feminine Kunst“ geschmälert. Erfreulicherweise werden in der Ausstellung des Städel tatsächlich Werke männlicher und weiblicher Künstler in einem ausgewogenen 50/50 Verhältnis gezeigt. Keine Selbstverständlichkeit im Kunstbetrieb, aber unerlässlich beim Anspruch der Ausstellungsmacher die ganze Bandbreite der künstlerischen Auseinandersetzung zu zeigen. Der Geschlechterkampf ist also auch hier nach wie vor präsent. Ebenso im Verhältnis von Direktorinnen und Direktoren. Wobei sich gerade hier einiges bewegt. Soeben haben ja erst die Tate sowie die Vatikanischen Museen die ersten Direktorinnen in der Geschichte der Häuser verkündet. Weitere Traditionshäuser folgen hoffentlich in den nächsten Jahren. Immerhin studieren ja auch viel mehr Frauen erfolgreich Kunstgeschichte als Männer.

Für mich persönlich war der Kunstbereich jedoch beruflich immer ein Ort an dem ich keine Benachteiligung als Frau erfahren habe. Dabei möchte ich die Betonung auf persönlich legen, denn ich kenne durchaus fantastische, hoch qualifizierte Frauen, die aus „klassischen“ Gründen wie Familienplanung ausgebootet worden sind. Und auch ich weiß nicht, ob ich mich wirklich dazu entschließen werde, so ein großes Wagnis wie die Mutterschaft einzugehen, aus beruflichen Gründen. Wäre definitiv auch so ein Thema für einen eigenen Beitrag.

Ich hatte immer mehr weibliche als männlichen KollegenInnen und wurde sowohl von Männern als auch von Frauen bei meiner beruflichen Entwicklung unterstützt und gefördert. Persönlich kann und möchte ich mich deshalb einfach nicht beschweren. Bisher gab es keine geschlechtsbedingten Einschnitte im Beruf für mich.

Diskriminierungen oder frauenfeindliche Sprüche kenne ich ebenfalls nur aus der Universität und nicht aus dem Berufsleben. Doch auch dort hatte ich hauptsächlich Dozentinnen und nur einige wenige Dozenten, die gefühlt im letzten Jahrhundert hängen geblieben sind. Vielleicht sterben die gerade einfach aus.

Doch als besonders familienfreundlich würde ich den Kulturbereich auch nicht gerade bezeichnen. Wird in den Vermittlungsabteilungen der meisten Häuser zwar großer Wert auf Veranstaltungen für Eltern gelegt, sind die beruflichen Bedingungen für dieselben wohl eher schwierig zu nennen. Eine Problematik, die nicht spezifisch für diesen Bereich ist, doch irgendwie seltsam anmutet, wenn man darüber nachdenkt, dass Kulturinstitutionen einen gesellschaftlichen Auftrag verfolgen mit dem sich die Realität der Mitarbeitet nicht immer vereinbaren lässt.

Geld ist Macht | Ein anderer Kampf

Was ich am Kulturbereich schwierig finde und was mich dazu bewogen hat, in die freie Wirtschaft zu wechseln, ist kein Geschlechterkampf, sondern der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen im Allgemeinen. Nach nun fast sechs Jahren in der Kunstwelt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Menschen, die jeden Tag Kunst ermöglichen und dafür all ihr Herzblut opfern, oft zu kurz kommen. In den letzten Jahren habe ich gesehen wie sich zahllose Menschen für die Kunst aufgerieben haben. Fair bezahlt wird das in der Regel nicht. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel und auch ich selbst habe meistens Glück gehabt. Gleichzeitig werden jedoch Millionen in immer aufwendigere Gebäude und Werke gesteckt. Bei Kunstwerken sehe ich das sogar bis zu einem bestimmten Punkt ein, denn um die Kunst geht es schließlich. Bei der Rechnung „Gebäude gegen Mitarbeiter“ geht es dann aber nicht mehr für mich auf. Und es spielt am Ende keine Rolle, ob wir von einem neuen Museumsbau oder von der Elbphilharmonie reden. Die finanziellen Mittel für die Menschen, die das Rad am Laufen halten, sollten mindestens einen ebenso großen Stellenwert einnehmen wie die Objekte.

Und ich möchte das Fass der Volontariate hier gar nicht erst aufmachen. Dazu empfehle ich einen Blick auf die Artikel von Angelika bei Musermeku, die sich seit Jahren für das Thema einsetzt und nicht müde wird auf die leidigen Zustände hinzuweisen.

Gerade streiken die Erzieherinnen wieder medienwirksam in Deutschland. Jedes Mal wenn das passiert, fallen mir die vielen Menschen ein, die ich aus meiner heißgeliebten Kulturblase kenne, die weniger verdienen als eine Erzieherin oder gerade in ihrem Volontariat stecken, obwohl sie nicht nur studiert haben, sondern auch promoviert sind. Aber wir Kunsthistoriker/Geisteswissenschaftler streiken nicht. Gerne denke ich in diesen Momentan auch an den Verwaltungsleiter, der mir einmal sagte, mit meiner Einstellung (= der Anspruch einer fairen Bezahlung) würde ich im „schwarzen Loch der Arbeitslosigkeit“ landen als Kunsthistorikerin.

Am Ende führt die Diskrepanz in den Budgets der Häuser konkret dazu, dass an vielen nicht nachhaltig gearbeitet wird. Da kommen und gehen Mitarbeiter im zweijährigen Rhythmus oder haben sechs monatige Projektverträge. An vielen Institutionen gibt es zwar gar nicht so kleine Budgets, aber trotzdem keine (festangestellten, unbefristeten) Mitarbeiter oder eben nur Volontäre oder mehr Volontäre als feste Mitarbeiter. Mangelnde Bezahlung ist ein Zeichen von mangelnder Wertschätzung und mangelnder Anerkennung. Und ja, Geld alleine macht nicht glücklich. Und ja, Arbeiten in der Kulturbranche macht unglaublich viel Spaß und bereichert das eigene Leben ungemein. Weswegen ich mir auch ein Leben ohne Kunst oder Kultur niemals vorstellen könnte und großen Respekt vor jedem habe, der sich mit den Abstrichen arrangiert, die man machen muss, aber ich kümmere mich dann auch mal um meine Rente.

Weitere lesenswerte Blogartikel zur Aktion gibt es bei Wera Wecker, Indira Kaffer und Katja Marek.

Veröffentlicht von

Michelle vanderVeen

Digitale Kommunikation & Marketing | Account Manager Digital & Content @GraylingDE | #blogger @MuseumLifestyle | Goldener Blogger 2015

3 Gedanken zu „#LetsTalkAboutSexes | Social Media Aktion zum #Geschlechterkampf im Städel Museum Frankfurt“

  1. Liebe Michelle,

    ich finde es unendlich schade, dass du aus der Kultur in die „freie“ Wirtschaft abwanderst, kann dich aber sehr gut verstehen. Es ist so frustrierend, dass sich das Dilemma seit meinem Examen (1987) nicht geändert hat. Es gibt ja genug zu tun, nur kein Geld, gescheite Menschen zu bezahlen. Wenn man mal aus dem Vollen schöpfen könnte … Das wäre ein Traum.

    Ich erinnere mich noch so gut an den Prof, der an meinem ersten Uni-Tag den Kopf schüttelte und uns erwartungsfrohen Erstsemestern mit so einem komischen schiefen Grinsen im Gesicht sagte: Ach, Sie tun mir so leid. Sie werden alle keinen Job finden.
    Was natürlich nicht stimmte! Denn wir haben ja alle irgendwie einen Job gefunden. Die Arbeitswelt hat sich nur verändert und ja, es gibt kaum Lebensanstellungen mehr. Aber ganz ehrlich, das finde ich eigentlich auch gar nicht so schlimm. Da ist dann auch mehr Bewegung drin.

    Was du zum Kinderkriegen gesagt hast, ist ein wunder Punkt in der Arbeitswelt. Immer noch führt das zum Karriereknick. Das ist so! Das Ideal der ständigen Verfügbarkeit und absoluten Flexibilität lässt sich leider mit den meisten Jobs in der Kulturbranche überhaupt nicht vereinbaren. Aber auch hier kommt es darauf an, sich neuen Arbeitsformen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Vor allem die digitale Welt bietet da jede Menge Chancen. Wollen wir mal hoffen, dass sich hier noch Einiges ändert. Die Zukunft ist machbar.

    Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und tolle Erfahrungen im neuen Job! Wir lesen uns …

    Liebe Grüße von Anke

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    1. Liebe Anke,

      vielen Dank für deinen Kommentar, du bist echt immer super schnell damit.

      So einen Prof hatte ich auch. Die Begrüßung im Studium war ähnlich und tatsächlich falsch. Einen Job gefunden haben wir eigentlich alle, viele eben erstmal ein Volontariat zu meist schlechten Bedingungen und viele schlichtweg in anderen Bereichen als der Kunstwelt.

      Geld gibt es ja schon, nur die Budgets müssten eben anders verteilt werden. Und dabei geht es mir gar nicht um Lebensanstellungen. Doch in Zeiten, in denen ohnehin viele Arbeitnehmer den Job alle paar Jahre von sich aus wechseln um neue Herausforderungen zu finden, würde sich auch niemand einen Zacken aus der Krone brechen mit unbefristeten Verträgen. Wobei das ein Problem ist, dass nicht nur im Kulturbetrieb vorhanden ist.

      Ich hoffe im Hinblick auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf verändert sich der Kulturbetrieb in den nächsten Jahren.

      Liebe Grüße,
      Michelle

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