#BloggerFuerFluechtlinge | Das „Social Web“ wird richtig laut

Seit nun etwas mehr als einer Woche gibt es die Initiative Blogger für Flüchtlinge, ins Leben gerufen von Nico LummaStevan PaulKarla Paul und Paul Huizing. Es wurden bereits über 80.000 € Spenden (Stand: 31.08.15, 19 Uhr) gesammelt, die über betterplace.org transparent an Initiativen verteilt werden. Ich war eine der ersten 100 in der Facebook-Gruppe (mittlerweile sind es weit über 1000), in der wir uns austauschen und trotzdem habe ich lange an diesem Post gesessen und es nicht wie so viele andere geschafft, letzte Woche bereits einen Post zu veröffentlichen. Ich könnte das jetzt auf meinen vollen Terminplan schieben oder auf die anderen Blogs für die ich Beiträge geschrieben habe, aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Ich habe viel getwittert, Beiträge anderer Blogger geteilt und jedem, der es hören wollte (oder nicht) von der Initiative erzählt. Ich habe zudem mit einer anderen Bloggerin zahlreiche Fashion Blogger angeschrieben, ob sie nicht mitmachen wollen. Zeit war also da. Energie eigentlich auch. Trotzdem ist mir noch nie ein Blogbeitrag so schwer gefallen. Das erste Mal in meiner Zeit als aktive Bloggerin fehlen mir angesichts des braunen Terrors und dem andauernden Elend die Worte. Mein Blog mag eher unpolitisch daherkommen, aber ich habe mich schon immer für Verschiedenes engagiert. Privat. Nicht öffentlich. So halten das sicherlich viele Menschen. Doch die Initiative Blogger für Flüchtlinge ruft zu Recht dazu auf, dass wir laut werden und das Netz mit positiven Botschaften fluten, dass wir teilen was wir tun und fordern, dass man allen Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, mit Menschlichkeit begegnet. Auch denen, die wir nicht dauerhaft aufnehmen werden. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein. Warum ich die Initiative unterstütze und warum ich hoffe, dass auch Institutionen sich mit ihren Blogs beteiligen, versuche ich in den folgen Zeilen mal einigermaßen geordnet aufzuschreiben.

Das Netz sollte ein sozialer Ort sein, nicht rechtsradikal!

Ich bin nicht nur beruflich ein großer Fan des Social Web und seiner vielen Möglichkeiten, doch wenn ich sehe wie diese Möglichkeiten von rechtsradikalen Gruppen genutzt werden, um sich zu versammeln und zu Angriffen auf Flüchtlingsheime aufzurufen, zweifle ich an der Menschlichkeit dieses Landes bzw. des ganzen Kontinents. Mir scheint, dass sich die Politik viel zu sehr darum bemüht Zäune zu bauen und Menschen schneller abzuschieben. Der Umgang mit den Menschen, die ein Bleiberecht haben und auch mit all denen, die versuchen eines zu bekommen, scheint mir nicht im Vordergrund zu stehen. Hinzu kommen viele Menschen, die den Eindruck wecken wir werden demnächst „überflutet“ und aus unserer eigenen Kultur vertrieben. Das kann und will ich so nicht stehen lassen. Das Netz sollte ein sozialer Raum sein! Daran müssen wir alle arbeiten. Das heißt volksverhetzende Aufrufe nicht nur zu melden, sondern bei der Polizei anzuzeigen. Das heißt, dass wir gemeinsam unsere Stimme erheben und sagen, dass wir für Menschenrechte und Menschlichkeit einstehen und diese für unsere Gesellschaft einfordern. Das heißt, dass wir erwachsen mit Ängsten umgehen und Ausländerfeindlichkeit keine Plattform bieten.

Weil Flucht niemals „einfach“ ist

Ich kenne Menschen, die hierher gekommen sind, weil in ihrem Land täglich Bomben vom Himmel fallen und ich kenne nicht einen, dem diese Entscheidung leicht gefallen ist. Niemand lässt seine Heimat, sein Hab und Gut und seine vertraute Umgebung und Kultur hinter sich, um über eine Todesroute ins Ungewisse zu ziehen. Wer das ernsthaft glaubt, hat wohl noch nie wirklich nachgedacht. In dieser Debatte höre ich auch immer wieder viele Märchen zum Zweiten Weltkrieg und der Zeit davor und danach. Und ich finde es wirklich schlimm wie verklärt die Geschichte mittlerweile von manchen dargestellt wird. Warum zum Beispiel Juden damals nicht „einfach“ das Land verlassen haben, hat Juna ganz wunderbar auf ihrem Blog beschrieben. Ein wunderbarer Post, nur traurig, dass man sowas nochmal klar stellen muss. Ähnliche Verklärungen gibt es auch über die Zeit nachdem Zweiten Weltkrieg. Da wird glorreich beschrieben wie Deutschland seine Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Gebieten aufnahm und alle Hand in Hand das Land wieder aufbauten. Wie unruhig die Zeiten sind, sehe ich besonders daran, dass meine Oma das erste Mal in ihrem Leben das Bedürfnis hat, mir vom Krieg zu erzählen. Ihr ganzes Leben lang hat sie ihre Erfahrungen für sich behalten. Heute regt sie sich so sehr über die rechte Gewalt gegen Flüchtlinge auf, dass sie den Drang hat von ihren eigenen Erfahrungen zu sprechen. Aufgewachsen ist sie in Danzig und als sie acht Jahre alt war und der Krieg verloren, ist sie mit ihrer Mutter zu Fuß geflüchtet bzw. zuerst auf einem Boot und dann zu Fuß über das Eis und bis nach Nordrhein-Westfalen. Mit offenen Armen, wie das gerne dargestellt wird, wurden sie nicht empfangen und Helfen oder Abgeben wollten erst recht die wenigsten. Gerettet hat sie am Ende, dass es eben schon immer Menschen gegeben hat, die denen geholfen haben, die es nötig hatten. Hätte es die nicht gegeben, würde ich wohl heute ganz sicher nicht diesen Beitrag veröffentlichen. Auch deshalb möchte ich zu denen gehören, die den Unterschied machen und hoffe, dass wir am Ende des Tages die breite Masse sind und nicht die Ausnahmen.

Es übersteigt meine Vorstellungskraft bei Weitem auch nur annähernd zu verstehen was Menschen auf der Flucht durchmachen müssen und finde schon den Versuch so furchtbar, dass ich Gänsehaut bekomme. Meine Oma war damals noch ein Kind und auch heute sind viele Kinder und Jugendliche unter den Flüchtlingen, die hier ankommen, wie unter denen die auf dem Weg umgekommen sind. Es übersteigt noch viel mehr meine Vorstellungskraft wie man sich dem Elend verschließen kann und einfach behauptet, das wäre nicht unser Problem. Wir leben in einer globalisierten Welt und sind ein reiches Land, ein Land, in dem mal eben 75 Mil. Euro für den Transfer eines einzigen Fußballspielers bezahlt werden können, da werden wir jawohl denen Hilfe geben können, die sie sonst nirgendwo bekommen.

Gegen Vorurteile kämpfen

Auch in meinem näheren Umfeld begegnen mir immer wieder Vorurteile. Oft nur kleine, aber dennoch. Wie schnell können kleine Vorurteile groß werden und außer Kontrolle geraten. Wer Flüchtlingen ein Handy neidet, der denkt in Statussymbolen und nicht an die Notwendigkeit den Verwandten zu sagen, dass man überlebt hat oder Fotos der eigenen Kinder zu retten! Aber der Spiegel hat gängige Vorurteile in diesem wunderbaren Video viel besser zusammengefasst als ich das an dieser Stelle könnte.

Ein wichtiges Ziel bei Blogger für Flüchtlinge ist es auch, Menschen aufzuklären und Vorurteile abzubauen. Je mehr dazu beitragen, desto besser!

Ich möchte in einer offenen Welt leben

Seit ich klein bin, bin ich viel gereist und „leide“ auch heute permanent unter Fernweh. Ich möchte dabei aber nicht in einer Welt leben, in der ich Freizügigkeit und offene Grenzen erlebe und andere Menschen hinter Stacheldraht stehen. Ich möchte in einer offenen Welt leben, in der Glaube und Religion friedlich ausgelebt werden können und Menschen sich gegenseitig ihre Kulturen näher bringen und offen füreinander sind. Ich war in armen und in reichen Ländern, doch überall habe ich Gastfreundschaft und Herzlichkeit erlebt. Eine Welt, die ihre Grenzen und Mauern wieder aufbaut, ist mein persönlicher Alptraum. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede und nicht jede Hürde kann ohne Weiteres überwunden werden, aber warum wehren wir uns so sehr dagegen gemeinsam am Wohlstand und dem Miteinander einer Weltgemeinschaft zu arbeiten. Europa war mal so ein wunderbarer Ansatz, der Grundgedanke war auf jeden Fall der richtige und zu diesem sollten wir zurückkehren.

Wir sollten den Menschen, die zu uns kommen eine Chance geben. Die Chance, die jeder bekommt, der das Glück hatte hier geboren zu sein, was alleine mal keine Leistung ist, sondern ein Glücksfall. Alle Menschen, die ich kenne, die hierher gekommen sind, wollten arbeiten und sich eine Existenz aufbauen. Ich kenne keinen einzigen, der sich heute, einige Jahre nach seiner Flucht, auf dem Sozialsystem ausruht. Leider können wir keine Nazis gegen Flüchtlinge eintauschen, wir können aber klar machen, das in einem funktionierenden, demokratischen, weltoffenen Land kein Platz für Fremdenhass ist. Dafür kann jeder etwas tun! Es beginnt schon indem Moment, indem man Stammtisch-Gerede keinen Platz im Freundeskreis einräumt.

Meine Freunde sollen auf der Straße keine Angst haben müssen

Ich habe Freunde aus der ganzen Welt. Vielen leben hier, weil sie hier arbeiten oder bereits hier studiert haben. Dabei sind Menschen, die aus dem Iran, Ägypten oder Indien kommen. Nicht alle von ihnen sind als Flüchtlinge her gekommen, manche einfach, weil sie hier eine gute berufliche Perspektive haben. Nun bekommen einige von ihnen langsam Sorgen in Deutschland nachts auf die Straße zu gehen, weil sie bereits angepöbelt wurden. Doch auch viele kleine Momente im Alltag lassen mich manchmal daran zweifeln, ob wir ein so freundliches Land sind. Das sind die Momente, wenn Freunde von mir sich anhören müssen, dass sie so gut deutsch sprechen, als wäre das nicht zu erwarten, wenn jemand einen dunkleren Teint besitzt. Oder die Überraschung, wenn einer von ihnen sich als an einer deutschen Uni promoviert zu erkennen gibt. Vorurteile und latente Ausländerfeindlichkeit begegnen einem täglich und viel zu lange wurde das in der Breite mit Stillschweigen quittiert. Es wird Zeit, dass wir das ändern und ehrlich sagen „Refugees Welcome“ – Deutschland ist ein buntes und offenes Land.

Das hier waren nur einige Punkte warum ich mich der Initiative Blogger für Flüchtlinge angeschlossen habe! Demnächst, habe ich mir fest vorgenommen, über mein Engagement für Flüchtlinge hier direkt vor Ort zu schreiben und meine konkreten Erfahrungen zu teilen. Vermutlich wird mir das wieder schwer fallen, aber auch das ist etwas was wir angesichts der Übergriffe und Nachrichtenlage lernen müssen, aus unserer Komfortzone kommen und uns für andere einsetzen!

Das wünsche ich mir besonders auch von den deutschen Kulturinstitutionen. Wenn es bereits einen Blog gibt, sollte der genutzt werden, aber auch auf einer Website kann man natürlich einen Beitrag einbauen. Viele engagieren sich ja vor Ort, es ist Zeit darauf aufmerksam zu machen. Institutionen haben einen Bildungsauftrag, der selten so wichtig war wie heute!

Wer sich engagieren möchte, kann sich auf der Website informieren und/oder hier spenden. Lasst uns gemeinsam laut und sichtbar sein!

Veröffentlicht von

Michelle vanderVeen

Digitale Kommunikation & Marketing | Account Manager Digital & Content @GraylingDE | #blogger @MuseumLifestyle | Goldener Blogger 2015

2 Gedanken zu „#BloggerFuerFluechtlinge | Das „Social Web“ wird richtig laut“

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