Warum Museen sich mit Gaming-Forschung beschäftigen sollten!

Mein Rückblick auf die Multi.Player 2 Konferenz an der WWU Münster.

Am 14. und 15. August hat Prof. Dr. Quandt internationale Forscher zur 2. Multi.Player Konferenz eingeladen. Die Konferenz, die das erste Mal 2011 stattfand, drehte sich um alle Facetten der Gaming Industrie. Nach dem letzten Vortrag, den ich zum Thema #Gamification beim #SWIng gehört habe, stand für mich außer Frage, dass ich mir eine Karte kaufen muss. Die Entscheidung hat sich gelohnt: ich habe soviel Input zum Thema bekommen, dass ich gar nicht weiß warum ich so oft höre es gäbe keine Literatur etc. zu dem Thema. Auf Grund der großen Menge Input stelle ich hier meine Highlight-Themen der Konferenz vor, die ich für Kulturinstitutionen am relevantesten halte und empfehle bei Interesse das Nachlesen der Publikationen der einzelnen Forscher. Das vollständige Programm zum Nachlesen gibt’s hier. Am Ende des Artikels ist außerdem ein kleines Glossar zu wichtigen Gaming-Begriffen angelegt.

TAG 1

Der erste Tag der Konferenz begann direkt mit einem interessanten Eröffnungsvortrag von Frans Mäyrä aus Finnland, der über die interdisziplinären Aspekte der Gaming Forschung gesprochen hat. Besonders interessant, weil er direkt klar gemacht hat, dass Erkenntnisse über Gaming nur gewonnen werden können, wenn alle wissenschaftlichen Disziplinen (wie Psychologie, Kulturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Medienwissenschaften etc.) beteiligt sind. Das hat mich besonders begeistert, da ich noch nie auf einer Konferenz war, die mit einem Lob auf alle Forschungsdisziplinen beginnt und nicht mit einer Selbstbeweihräucherung. Sympathisch!

Aus diesem Grund bin ich dann auch in die erste Session der Forschungsdelegation aus Finnland gegangen. Unter dem Titel „Involment and Fun: Seeking the sweet spot of playfulness“ gab es drei Vorträge. Besonders die ersten beiden habe ich als sehr aufschlussreich empfunden. Torill Elvira Mortensen hat den Unterschied von Play (dt.=Spiel) und Game (dt.=Videospiel) herausgearbeitet und klar gemacht, wie wichtig das Play in der realen und virtuellen Welt ist und das es als soziale Interaktion verstanden werden sollte. Im zweiten Vortrag hat Faltin Karlsen die Bedeutung von Quests und ihre richtige Nutzung erklärt. Die richtige Übertragung von Quests spielt heute bereits eine große Rolle im Marketing und ist für Museen relevant, wenn es um neue (digitale) Formen der Kunstvermittlung geht. Quests haben das Potential die Besucherbindung zu steigern und einen Museumsbesuch interaktiv und spannend zu gestalten. Die Publikationen von Karlsen würde ich deshalb jedem empfehlen, der sich mit der Adaption von Game Quests in seine Vermittlungsarbeit beschäftigt. Ein schönes praktisches Beispiel für die Anwendung im Museum sind die „Smithsonian Quests„.

Die zweite Session, die ich am ersten Tag besucht habe, stand unter dem Thema „Industry & Design“. Besonders der erste Vortrag der Session von Jedrzej Czarnota war interessant, da er die Videospiel-Industrie untersucht hat. Als zweitgrößter Industriezweig der Welt nach der Filmindustrie kann man sie wohl auch in der Kultur nicht ignorieren und sollte sich viel mehr damit auseinandersetzen warum so viele Menschen soviel Geld für Videospiele ausgeben und warum diese eine breite Masse so sehr begeistern. Genau diesen Faktoren ist Czarnota in einer Studie auf den Grund gegangen  und hat äußerst spannende Aspekte dieses Industriezweiges herausgearbeitet. So sind 70% der aktiven Spieler Erwachsene und nur 30% Kinder. Vielleicht mal eine Anregung #Gamification auch mehr in der Vermittlungsarbeit für Erwachsene anzuwenden. Besonders erfolgreich sind zudem Spiele-Serien wie GTA, Final Fantasy oder FiFa. Für mich ein klarer Hinweis auf diesem Gebiet nicht immer das Rad neu erfinden zu wollen, sondern zu analysieren was im Museum besonders gut funktioniert und hier mehr mit Variation statt ständig mit Neuem zu arbeiten. Der Mensch ist am Ende doch Gewohnheitstier.

TAG 2

Den Eröffnungsvortrag von Christopher Ferguson am zweiten Tag fand ich besonders schön, weil er betont hat wie wichtig es ist sich selbst, die eigene  Arbeit und die eigenen Produkte immer wieder zu hinterfragen. Mit dauerhafter Selbstbestätigung kann es keinen Fortschritt und nur wenige Erfolge geben. Stimmt!

Die erste Session am zweiten Tag stand unter dem Thema „Gender Issues“ und war deshalb interessant, weil man nicht vergessen darf, dass zwar 48% der aktiven Gamer Frauen sind, diese aber ein völlig anderes Spielverhalten zeigen als Männer. Ein Aspekt der bei Gesprächen und Vorträgen zum Thema Gaming im Kulturbereich bisher überhaupt nicht beachtet wird. Da jedoch Kunstmuseen besonders gerne von Frauen besucht werden, sollte das eine immense Rolle bei der Entwicklung für digitale Anwendungen in Museen spielen. Zum Nachlesen empfehle ich ganz besonders die Publikationen von Rachel Kowert und Thorsten Quandt.

In der zweiten Session an diesem Tag ging es um „Cooperation and Competition“ und besonders gefreut und am meisten mitgenommen habe ich aus dem Vortrag von Imran Beg und Jan van Looy, die ein belgisches Serious Game des Verkehrsministeriums entwickelt haben. Das Thema Serious Games wird auch im Museumsbereich immer wichtiger und nach den Erkenntnissen der Untersuchungen von Beg sollten besonders bei der Entwicklung dieser Spiele einige Aspekte berücksichtigt werden. Besonderes Augenmerk gilt dem Design, das besonders früh entwickelt werden sollte, da es darüber bestimmt welche Zielgruppe angesprochen wird. Ein wichtiger Punkt, der meiner Erfahrung nach in Museen viel zu wenig oder viel zu spät beachtet wird. Die Zusammenarbeit mit professionellen Spieleentwicklern scheint besonders empfehlenswert. Zudem ist eine intensive Beta-Testphase wichtig für den Erfolg, diese sollte vor allem professionell ausgewertet werden. Ein Mitarbeiter der Plan von empirischen Untersuchungen hat ist für Museen ohnehin wichtig, da auch die anderen Aktivitäten wie Social Media durch ein Monitoring überwacht werden sollten. So hat sich auch bei dem untersuchten Spiel von Beg einiges nach der Auswertung des Beta-Tests verändert, da einige Features des Spiels von den Test-Nutzern gar nicht verwendet und andere als unpraktisch abgelehnt wurden. Ich an dieser Stelle nur mal wieder betonen, dass jeder sich mit Statistiken anfreunden sollte, weil sie die eigene Arbeit erleichtern und diese im Idealfall legitimieren.

Wichtig für alle, die sich mit dem Thema Gaming und Gamification auseinandersetzen ist auch der Punkt, dass durch das Durchsetzen von Smartphones und Tablets viel mehr Menschen Games spielen als noch vor 10 Jahren. Heute muss niemand mehr eine Spielekonsole oder einen besonders leistungsstarken Rechner erwerben um Spiele zu spielen. Wobei hier zu beachten ist, dass die erste Generation der Social Games bereits wieder „ausgestorben“ ist, an denen kann sich niemand mehr orientieren. Ein weiterer Grund die Erkenntnisse der Gaming Forschung besonders in Museen zu verfolgen und für sich zu adaptieren. Literatur ist vorhanden und das tatsächlich bereits sehr umfangreich und vor allem aktuell.

Den Abschlussvortrag hielt übrigens die Forscher-Legende Richard Bartle. Ein echtes Highlight! Seine Bücher sind ein absolutes Muss für jeden, der sich auf professioneller Ebene mit Games auseinandersetzen möchte!

Zum Abschluss ein großes Lob an die Veranstalter, die eine perfekte Konferenz auf die Beine gestellt haben. Neben großartigen Vorträgen gab es eine rund-um-sorglos Versorgung aller Teilnehmer inkl. zwei sehr angenehmen Abendveranstaltungen. Bei so tollen Gastgebern ist es kein Wunder, dass Forscher aus den weitesten Ländern angereist sind (Singapur, Australien, USA… um nur ein paar zu nennen).

Das Konferenzlayout stammt übrigens von der wunderbaren Luise von Grebe.

GLOSSAR

#Co-Creation: Der Spieler ist im Game aufgefordert eigenen Content zu erstellen und das Spiel dadurch zu verändern. Beispiel: Second-Life.

#Hashtaghacking / hijacking: Hashtags anderer Seiten benutzen, um die eigene Message zu verbreiten. Beispiel: Viele Twitternutzer machten sich das McDonald’s Hashtag #McDStories zu eigen, um ihre schlechten Erfahrungen mit dem Unternehmen zu verbreiten. Besonders beliebt auch bei den Hashtags von politischen Parteien.

#Gamification: ausschließlich das Benutzen von Elementen aus Videospielen in einem nicht Gaming-Kontext. Zum Beispiel das Sammeln von Badges für Aufgaben in einem Museum.

#Modding: das Verändern der vorgegebenen Spieloberfläche oder Interface in einem Videospiel.

#Quest: konkretes Ziel in einem Spiel, das dem Spieler als Aufgabe gestellt wird. Die gewählte Art der Quest beeinflusst Design und Ästhetik eines Spiels.

#SeriousGame: Ein Videospiel mit einem Vermittlungshintergrund. Beispiel: cityjam.be vom belgischen Verkehrsministerium, dass jugendlichen Spielern das richtige Verhalten im Verkehr vermitteln soll.

 

Veröffentlicht von

Michelle vanderVeen

Digitale Kommunikation & Marketing | Account Manager Digital & Content @GraylingDE | #blogger @MuseumLifestyle | Goldener Blogger 2015

5 Gedanken zu „Warum Museen sich mit Gaming-Forschung beschäftigen sollten!“

  1. Klasse, Michelle, dass du die Konferenz zusammengefasst hast. Mich freut es natürlich immer sehr, wenn in diesem ganzen Gamification-Thema so oft von Vermittlung gesprochen wird. Tja, die Vermittlung. Allzuoft sehe ich dann aber in den spielerischen Ansätzen wenig mehr als das Schiebespielchen von Puzzleteilen. Also, wenn es um die Kunstvermittlung geht. Da ist leider immer noch viel zu wenig Fantasie vorhanden. Sind wohl alle viel zu sehr mit der Technik beschäftigt, vermute ich.

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    1. Das sehe ich ähnlich wie du Anke, das ist echt bisher sehr überschaubar was es an guten Sachen gibt. Ich sehe allerdings auch ein Problem darin, dass Menschen sich Spiele ausdenken, die unter Umständen selbst nicht spielen. Weshalb ich die Anregung mit Spieleentwicklern zusammenzuarbeiten ganz wichtig finde. Und darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass das größte Problem der nicht definierte Nutzer/Besucher ist. Die Fragen: Wen spreche ich an? Womit? Und wie eigentlich? höre ich selten, wenn es um die Ideen zu neuen Anwendungen geht. Dabei ist das doch das Entscheidende. Aber ich bin jetzt wieder voller Input und hoffe ich kann ihn bald anwenden 🙂

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